Bei Törns im Rahmen von maritimen Großveranstaltungen wie der Rostocker Hanse Sail sollen bis zu 80 Personen (statt der üblichen 50) an Bord der Santa Barbara Anna Platz finden. Das allerdings bedarf einer gesonderten Zertifizierung durch die Dienststelle Schiffssicherheit der Berufsgenossenschaft Verkehr. Schließlich muss sicher gestellt sein, dass die Crew in der Lage ist, das Schiff auch mit der höheren Gästezahl zügig und sicher zu evakuieren. Und das natürlich in eng begrenzter Zeit!
Die gute Nachricht vorweg: Am 7. Juli haben wir die Evakuierungsübung unter Beobachtung der Dienststelle Schiffssicherheit der Berufsgenossenschaft Verkehr und einer Vertreterin der Ombudsstelle gut über die Bühne gebracht!
In der Woche davor lief für die Crew das erste Training am AFZ Rostock mit 40 Gästen an Bord. Nach zwei holprigen Probedurchläufen und einer kritischen Auswertung durch die begleitenden Ausbilder des AFZ, stand für uns der Rahmen der weiteren internen Vorbereitung fest. Die Abläufe wurden diskutiert, abgewogen, Positionen und Aufgaben verteilt und in einem Ablaufplan festgeschrieben. Am Tag vor dem „Ernstfall“ wurden die Abläufe in einem Trocken-Training nochmal detailliert durchgesprochen und feingeschliffen.
Für die Zertifizierungs-Übung standen 65 Gäste und 15 Mann Crew bereit. Die Hälfte der Gäste waren Lehrgangsteilnehmer des AFZ und die andere Hälfte waren Studenten von Rostocker Hochschulen. Diese 80 Personen galt es, so geordnet wie möglich von Bord zu evakuieren. Um den Aufwand in Grenzen zu halten und um das Verletzungsrisiko für alle Beteiligten zu minimieren, fand die Übung an der Pier statt.
Wir wurden mit einer dramatischen Ausgangslage konfrontiert:
„Wir stehen mit unserem Schiff ca. 3 sm vor Warnemünde. Es sind 3 Gaffel- und alle Vorsegel gesetzt. Nach einer Kollision tritt auf der Backbordseite in Höhe Kabelgatt /Große Messe durch ein ca. 50 cm großes Loch Wasser ein. Das Schiff geht in eine vorlastige Trimmlage.“
Die Erwartungen an Kapitän und Crew waren hoch:
- Einschätzung des Schadens und der daraus abzuleitenden Maßnahmen
- Funkverkehr mit den Seenotrettungsleitstellen
- korrekte Logbuchführung
- interner Crewalarm und -musterung
- Bergen der gesetzten Segel
- Alarmierung der Gäste, um das Schiff zu verlassen
- Sammeln auf dem Vordeck
- Rettungswesten ausgeben und beim Anlegen unterstützen
- Mustern der Gäste am Sammelpunkt
- einen Vermissten auf dem Schiff suchen
- Lotsenleiter anschlagen und Übergang aufbauen
- Rettungsmittel inkl. Bereitschaftsboot zu Wasser lassen sowie
- alle Gäste und Crew sicher von Bord bringen
Zuerst gingen 30 Gäste mit 3 Mann Crew über den Landgang von Bord, 15 Gäste und 2 Mann Crew bestiegen die erste ausgebrachte Rettungsinsel, die letzten 20 Gäste mit den verbliebenen 10 Mann Crew gingen in die zweite Rettungsinsel. Damit das Ganze nicht zu einfach ablief, war ein Verletzter mit Kopfverletzung zu versorgen und zu betreuen. Parallel fiel der Maschinist mit einem Beinbruch und weiteren Verletzungen komplett aus. Nach der Erstversorgung am Unfallort ging es für ihn auf einer Trage über den Notausstieg des Maschinenraums durch die kleine Messe und zur weiteren Versorgung auf die Pier.
Soweit zur Situation und zum Ablauf an Bord. Es lief nicht alles perfekt, durch die zusätzlich eingespielten Lagen musste improvisiert werden. In der Gesamtbetrachtung war unsere Aufsichtsbehörde mit dem Ablauf zufrieden; die Evakuierung konnte in einem angemessenen Zeitrahmen abgeschlossen werden. In einer abschließenden Auswertung erhielten wir wertvolle Hinweise und Empfehlungen zur Optimierung.
Das Resultat aller Anstrengungen ist das gute Gefühl, mit außergewöhnlichen Situationen umgehen zu können sowie die Bestätigung, dass auch anspruchsvolle Notrollen für die Sicherheit der Gäste in der Praxis geübt und erfahren werden müssen.
Die von uns beantragte Ausnahmegenehmigung, bei ausgewählten Großveranstaltungen mit bis zu 65 Gästen und bei 15 Mann Crew an Bord auf Tagesfahrt zu gehen, wird seitens der Dienststelle Schiffssicherheit erteilt. Wir unterliegen dabei, wie in der Vergangenheit auch, engen Grenzen mit Blick auf Fahrtgebiet und Fahrtzeit sowie den Wetterbedingungen.
Der Verein Bramschot dankt ganz herzlich dem Aus- und Fortbildungszentrum (AFZ) Rostock für die großzügige Unterstützung, den Rostocker Studenten für die Bereitschaft teilzunehmen und natürlich allen Beteiligten unserer Crew, die mit Engagement und Herzblut zum guten Gelingen der Übung beigetragen haben.