Segeltraining auf der "SANTA BARBARA ANNA" - Der erste Tag

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Ein Erfahrungsbericht

Küstenseewetterbericht

...herausgegeben vom Deutschen Wetterdienst, Seewetterdienst Hamburg, am 26.04.2019, 15.17 UTC:

Vorhersage bis morgen Mittag

Östlich Fehmarn bis Rügen: Schwach windig, vorübergehend West 4 bis 5, strichweise Schauerböen, anfangs Gewitter.

Das war die Prognose des Deutschen Wetterdiensts. Mal sehen, was uns wirklich erwarten würde!

Pünktlich zur angesetzten Zeit sind wir am ersten Tag des Segeltrainings an Bord der "SANTA BARBARA ANNA", um den ersten Tag des Segeltrainings zu absolvieren. Geplant ist die Ausfahrt vor allem, um den ca. 15 Trainees nach der erfolgten theoretischen Unterweisung nun auch die erforderlichen praktischen Grundlagenkenntnisse zu vermitteln und diese zu üben. Für die ebenso vielen gestandenen Seebärinnen und Seebären der Stammcrew sollte es eine willkommene Auffrischung sein.

Drei Minuten, nachdem die Glocke im Turm der nahen Marienkirche neunmal geschlagen hatte, begrüßt uns Peter, der neue Skipper der "SANTA BARBARA ANNA", und stellte das Tagesprogramm vor. Vor dem Ablegen waren einige Punkte des angesetzten Programms abzuarbeiten. Dazu werden wir in drei Gruppen eingeteilt, die folgende drei Stationen absolvieren:

  1. Die Sicherheitseinweisung an Bord.
  2. Das Ab- und Anlegen, das Festmachen, die Leinenführung und Pollerbelegung wird vom Kapitän der beiden praktischen Ausbildungstage, Rainer, erläutert.
  3. Der dritte Schwerpunkt ist der Schiffsrundgang mit ausführlichen Erläuterungen

Sicherheitseinweisung

„Meine“ Gruppe erhält ihre theoretische und praktische Unterweisung zunächst bei Hartmut, einem langjährigen Vereinsmitglied und einer unserer Nautiker. Sein Thema ist die Sicherheit an Bord inklusive der Vorstellung aller Rettungsmittel. Darüber hinaus erklärt er, was bei besonderen Vorkommnissen wie beispielsweise Feuer an Bord oder Ruderbruch zu tun ist. Dabei belässt es Hartmut nicht nur in der Anschauung und Erläuterung der einzelnen Rettungsmittel, nein, die persönlichen Schutzanzüge für die Feuerbekämpfung werden auch wirklich angelegt, der Druckluftautomat für die Rettung von Personen in verqualmten Räumen ausprobiert.

Bei dieser Station darf auch ein Besuch im Maschinenraum nicht fehlen, wo uns die anwesenden Maschinisten stolz nicht nur das Herzstück, die Hauptmaschine, eine Caterpillar 3408 B DITA mit 352 kW / 480 PS, zeigen, sondern auch die anderen drei Aggregate, die für die Stromversorgung notwendig sind. Einer der Hilfsdiesel muss sogar noch angekurbelt werden. Gisbert meinte, da müsste man schon gut gefrühstückt haben…

Schon nach diesem kurzen Aufenthalt im Maschinenraum wird deutlich, dass die Arbeit hier unten wirklich eine schweißtreibende ist - und das, obwohl wir uns kaum bewegt haben und die Außentemperaturen noch keine sommerlichen sind. Alle, die in der Maschine arbeiten, haben meinen Respekt. Ich stelle es mir nicht gerade angenehm vor, bei Seegang hier zu arbeiten.

Ruderversager

Als wir aus der Unterwelt wieder an Deck angekommen sind, lässt Hartmut uns auch das Notruder anschlagen, das im Falle einer Ruderhavarie bedient werden muss. Dass wir dazu auch richtig unter den Ruderstand kriechen müssen, liegt in der Natur der Sache und ist auf jeden Fall eine gute Übung.

Ablegen und anlegen, festmachen, Leinenführung und Pollerbelegung

Wir gehen über zur nächsten Ausbildungsstation, wo Rainer uns das Ab- und Anlegen sowie die Leinenführung erläutert. Bedingt dadurch, dass die "SANTA BARBARA ANNA" als Traditionssegler nicht über ein Bugstrahlruder verfügt, erfolgen die beiden genannten Hafenmanöver ausschließlich mit Hilfe des Hauptantriebes. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass das Schiff durch den Klüverbaum einen erheblichen Überhang nach vorne hat. Daher ist es ausgeschlossen, vorwärts anzulegen. Die Gefahr, dass Personen und Kai-Anlagen zu Schaden kommen, ist viel zu groß. Deshalb wird immer über das Heck abgelegt. Dreh- und Angelpunkt ist dabei im wahrsten Sinne des Wortes die an Bord und am Poller belegte Achterspring. Damit sich der Bug von der Pier entfernt wird in diese rückwärts eingedampft. Vorher werden die Vorleine, die Vorspring und die Achterleine sowie die Mittelleine in der vom Bootsmann festgelegten Reihenfolge auf Kommando losgeworfen und zügig eingeholt, wobei der Vollzug gemeldet wird (z.B. „Vorleine ist los“).

Beim Anlegen müssen die gewichtigen Leinen zum Festmachen an Land bereits dann übergeben werden, wenn das Schiff noch keine Berührung mit dem Kai hat. Dazu werden an die Festmacher Wurfleinen angeknüpft, die vorne mit einem Knoten namens Affenfaust beschwert sind, und dann vom Schiff an Land geworfen. Das ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn auch jemand an Land steht und die Wurfleine bereitwillig in Empfang nimmt. Das ist meist in jedem Hafen der Fall, ansonsten muss jemand von der Crew übersteigen.

Das Werfen der Leine kann so elegant und lässig aussehen, kann…

Unsere Gruppe geht an Land, um das Werfen zu üben. Jeder Trainee kommt an die Reihe. Erst die Wurfleine vernünftig in kleiner werdenden Buchten in zwei Hälften aufschießen, die eine Hälfte auf den Bogen legen, den Rest in die offene (!) Hand und los geht’s. Einige von uns ernten anerkennende Worte von Rainer („Fürs erste Mal schon ganz gut“), andere verfehlen die anwesenden interessierten Spaziergänger und „Sehleute“ nur knapp.

Bevor die dritte Station absolviert wird, ertönt der Ruf „Backen und Banken“ - eines der wichtigsten Kommandos für die Mannschaft. Kurz darauf sitzen wir auf den Bänken und vor uns steht ein leckerer Eintopf mit Bockwurst auf der Back, mit dem uns Detlef und Lutz heute versorgen.

Gestärkt geht es anschließend mit dem Schiffsrundgang weiter.

Schiffsrundgang

Peter erklärt uns unter anderem die Funktion der Ankerwinde, wie der Anker fallen gelassen und wieder gehievt wird. In diesem Zusammenhang lernen wir, den Anker für die Revierfahrt „klar zum Fallen“ vorzubereiten und werden in den Ablauf des Ankermanövers und in die zugehörige Signalgebung eingewiesen.

Wir begehen sämtliche Räume und erfahren, wo die Notausstiege, die Feuerlöscher und die Notlampen sind. Lenzschächte werden begutachtet und wasserdichte Schotten verschlossen.

Im Navigationsraum erfährt die Gruppe unter anderem, dass auf unserem Traditionssegler klassisch in einer Seekarte navigiert wird. Dabei hilft ein GPS-Empfänger bei der Bestimmung der aktuellen Position. Weitere technische Geräte unterstützen bei der Schiffsführung: Die "SANTA BARBARA ANNA" ist mit einem AIS (Automatisches Identifikationssystem) ausgestattet. Mit diesem Funksystem werden automatisch Navigations- und andere Schiffsdaten mit anderen Schiffen oder Verkehrszentralen (wie z. B. Warnemünde Traffic) ausgetauscht. Somit wird die Sicherheit auf dem Wasser erhöht.

Weiterhin befinden sich im Navigationsraum neben einigen nautischen Handbüchern in einem offenen Fächerschrank die Flaggen des Internationalen Flaggenalphabets, die bei bestimmten Situationen zu setzen sind. Wie wir später bei der Einweisung zum „Mensch über Bord“-Manöver erfahren, ist bis zum Bergen der über Bord gegangenen Person die Flagge „Oscar“ (international für den Buschstaben O) zu setzen.

Ein unsichtbarer Absatz, um das float:left aufzuheben, bevor das nächste Bild es wieder aktiviert.

Mit einem Besuch des Steuerstands endet die Schiffsbegehung. In einem wunderbar polierten Messinggehäuse vor dem Steuerrad sehe ich die über Drehregler eingestellte Zahl 1 6 0. Ich frage den Rudergänger, was die Zahl bedeutet. Er lächelt verschmitzt und erwidert: „Das ist der Kurs, der anliegen soll. Wenn Du eine Stunde am Ruder gestanden hast, stellst Du Dir vielleicht die Frage, welcher Kurs denn eigentlich angesagt war. Dann sagt Dir die Zahl, dass ein Kurs von 160° anliegen soll.“ Unsere Altvorderen waren ja recht pfiffig!

Aufgaben Ausguck und Rudergänger mit Kommandosprache

Mittlerweile ist es nach 14 Uhr und Zeit, auszulaufen. Die "SANTA BARBARA ANNA" wird seeklar gemacht und legt ab. Auf der Fahrt in Richtung Warnemünde werden wir von unserem Vereinsvorsitzenden Olaf, der heute auch Bootsmann ist, in der Funktion „Ausguck“ unterwiesen. Der Ausguck ist dafür verantwortlich, dass der Steuermann über vom Heck aus nicht sichtbare Situationen informiert wird. So könnte beispielsweise eine Meldung lauten: „Angelboot zwei Strich Backbord voraus“. Dabei entspricht ein Strich einem Winkel von 11,25° (32 Strich entsprechen somit einem Vollkreis von 360°). Zwischen Ausguck und Steuerstand wird mit Handfunkgeräten kommuniziert. Nur nebenbei bemerkt, sollte man mit seinem Angelboot oder einem anderen Wasserfahrzeug sowieso nie im Fahrwasser ankern.

Ungefähr eine Stunde später passieren wir die wohlbekannten Molenköpfe von Warnemünde mit ihren Leuchtfeuern und fahren in das Seegebiet vor Hohe Düne / Markgrafenheide. Auf der Position 54° 11,92’N 012°05,45'E werden die Segel gesetzt. Leider ist der Wind aus WSW mit seinen 2-3 Beaufort nicht so kräftig, dass wir ordentlich Fahrt aufnehmen. Heute geht es ja aber auch vor allem darum, dass wir Trainees unser theoretisch erworbenes Wissen in die Praxis umsetzen. Unter fachkundiger Anleitung werden Besan, Jager, Außenklüver und Klüver gesetzt. Das laufende Gut wird nach dem Segelsetzen nicht wieder über die Nägel aufgeschossen. Dazu nennt uns Olaf folgenden Merkspruch für gesetzte Segel:

„Fallen, Schoten, Brassen
werden an Deck gelassen“

Nachdem ich die mir zugeteilte Leine aufgeschossen habe, finde ich an Deck ein gerissenes Bändsel, das über Kreuz verknotet ist. Als Trainee fragt man ja vorsichtshalber nach. Ich: „Weißt Du, wofür das gut war?“ Antwort des Bootsmanns: „Das hatte nichts zu halten, das ist Seemannsgarn.“ Aha. Da soll mir noch mal jemand erzählen, was Seemannsgarn ist!

Wir fahren noch eine Wende und nehmen dann wieder Kurs auf Warnemünde, um zur vorgesehenen Zeit wieder im Stadthafen festmachen zu können.

Feuer im Schiff mit Hydranten und mobiler Löschpumpe

Auf der Rückfahrt die Warnow hoch kommt noch eine Übung: Gisbert weist uns in die Bedienung der neuen mobilen benzinbetriebenen Feuerlöschpumpe ein. Der Motor springt auch gleich an und läuft wie am Schnürchen. Nur allein, da will kein Wasser in den Schlauch. Nach einigen Runden „Mensch gegen Technik und Physik“ siegt der Mensch, das Wasser strömt und durch das außenbords gerichtete C-Rohr schießt ein ordentlicher Wasserstrahl. Wir müssen nur achtgeben, wenn wir die ankernden Heringsangler passieren. Schiffe versenken steht heute nicht auf dem Lehrplan… Alle Übenden sind mit der Handhabung vertraut und ebenso der Ansicht, dass diese Pumpe als letztes Mittel der Brandbekämpfung bitte niemals zum Einsatz kommen möge.

Kurz vor 17 Uhr macht die "SANTA BARBARA ANNA" an ihrem angestammten Liegeplatz im Stadthafen fest.

Ein intensiver Tag liegt hinter uns. Wir haben nicht nur viel gelernt und geübt, sondern uns auch intensiv mit der Stammcrew und untereinander ausgetauscht. Zudem hat das Wetter mitgespielt. Der Wind war zwar recht moderat, dafür haben wir Sonne genießen können und sind nicht nass geworden. Man kann auch mit Kleinigkeiten zufrieden sein.

Meinen Kopf voll mit Informationen und neuen Erkenntnissen steige ich auf mein Rad und fahre nach Hause, in Erwartung der Fortsetzung des Segeltrainings am nächsten Tag.

Stanislaus

 

 
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