Der Umzug von Rostock-Marienehe in die Kröpeliner-Tor-Vorstadt.
Es ist unangenehm kalt an diesem Mittwochmittag Anfang Dezember 2020, nasskalt. Normalerweise ist die Tür zur Werkstatt im Alten Hafen Nord 325 bei dieser Witterung geschlossen. Heute jedoch ist „Tag der offenen Tür“ – aber nicht für Gäste. Die Mitglieder des Bramschot e.V., die bereits seit Wochen den Umzug der Vereinswerkstatt vorbereiten und durchführen, haben alles dafür getan, dass an diesem Tag die „Schwergewichte“ verladen und in das neue Domizil transportiert werden können.
Dank der Initiative eines Mitglieds haben wir vom teambaucenter Bentwisch nicht nur einen Materialgutschein in Höhe von 750 € erhalten, wir bekommen auch einen LKW mit Ladekran zur Verfügung gestellt. So können wir ohne Einsatz von Vereinsfinanzen den Transport von schweren Maschinen und Werkzeugen von der alten in die neue Werkstatt durchführen. Doch bis es soweit kommen konnte, war es ein langer Weg.
Rückblick: In der ordentlichen Mitgliederversammlung am 18. Januar 2020 nennt der Vorsitzende des Bramschot e.V. als einen der Schwerpunkte für die Saison die Suche nach einem anderen Werkstattobjekt. Bekanntlich hatte der Verein die Kündigung für das Objekt im Alten Hafen Nord erhalten, in dem unsere Werkstatt untergebracht ist.
Wir machen dem Großprojekt Ocean Technology Campus (OTC) Platz, mit dem die Hansestadt Rostock in den kommenden Jahren zum führenden Standort der technologischen Unterwasserforschung ausgebaut werden soll.
Es gelingt dem Vorstand, ein Objekt zu finden, das für unseren gemeinnützigen Verein zum einen finanziell tragbar ist und zum anderen die Anforderungen für einen geordneten Werkstattbetrieb erfüllt. Somit sind wir von nun an unter folgender Adresse anzutreffen:
Verkehrsgünstig gelegenes Objekt mit Gestaltungsmöglichkeiten
Das neue Objekt kann bei der Übernahme nicht sofort als Werkstatt genutzt werden, sondern muss aufwändig für unsere Zwecke hergerichtet werden. An diesem Standort ist vom Verein Pionierarbeit zu leisten, haben wir doch nur ein überdachtes Areal mit Naturfußboden, nacktem Mauerwerk, zum Teil mit „Zwangslüftung“, aber keinen Strom, keine Trennwände, kein fließendes Wasser …
Bevor auch nur eine Schraube, eine Korallenkette, ein Werkzeug oder gar eine Maschine in die Werftstraße 20 transportiert und dort aufgestellt werden kann, ist die leere Halle erst einmal grundhaft instand zu setzen. Ebenso muss der zur Werkstatt gehörende Büro- und Sozialbereich auf dem Gelände des kleinen Gewerbeparks hergerichtet werden.
Vom Vorstand wird ein Koordinator für den Umzug und damit auch für die vorbereitenden Arbeiten benannt. Ihm stehen weitere fach- und sachkundige Mitglieder im Vorbereitungsteam zur Seite. Nach Begehung und Vermessung des neuen Objekts, Grob- und Detailzeichnungen, Elektroplan und anderem mehr verständigt sich das Vorbereitungsteam zum Ablauf des Projekts „Umzug“. Im September 2020 werden dann alle Mitglieder zur tatkräftigen Unterstützung aufgerufen. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es zahlreiche Angebote zur Mitarbeit.
Bereits vor diesem Aufruf laufen Aktivitäten zur Einwerbung von Material, die dank der guten Beziehungen unserer Vereinsmitglieder erfolgreich sind. Für den Innenausbau steht uns zeitgerecht ausreichend Ständerwerk für die Trennwände zur Verfügung. Mit dem Einbau kann begonnen werden, die einzelnen Werkstattbereiche nehmen Form an. Nach der professionellen Elektroinstallation liegt bald in allen Bereichen Strom anliegt und wir haben die Erleuchtung.
Mit viel Unterstützung und dem bekannten Organisations- und Improvisationsvermögen der Vereinsmitglieder gelingt es, das Objekt so herzurichten, dass alle Werkstattbereiche und der Umkleidebereich mit den Spinden zum Ende des Jahres 2020 funktionsfähig und nutzbar sind. Was sich so lapidar liest, ist in Wirklichkeit ein organisatorischer und logistischer Kraftakt – Hut ab vor den Verantwortlichen und den Akteurinnen und Akteuren!
Brauchen wir das noch oder kann das weg?
Der Umzug und alle damit zusammenhängenden Aktivitäten unterliegen erschwerten Bedingungen. Die geltenden Regelungen erfordern vor allem im letzten Zeitabschnitt wegen der möglicherweise nicht einhaltbaren persönlichen Abstände das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Zudem ist wegen der Pandemie eine Gemeinschaftsverpflegung nicht möglich. Aber das sind nur die von anderer Stelle gesetzten Bedingungen.
Die wahre Herausforderung liegt in den beiden Objekten: In der Werftstraße ist trotz aller Planung zu improvisieren, immer wieder gibt es neue Herausforderungen. In der alten Werkstatt hat sich im Laufe der Jahre so viel Material angesammelt, dass weise und zum Teil harte Entscheidungen getroffen werden müssen. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob wir je wieder einen Liegeplatz zugewiesen bekommen würden, an dem wir ein 100 Meter langes Landstromkabel bräuchten. Eher nicht? Wohin also mit dem Kabel?
Was ist mit dem Drehmomentschlüssel, der – wie ein Mitglied sich äußert – einer für Männer ist? Ein edles Werkzeug aus sowjetischer Produktion, fast einen Meter lang, sehr schwer und mit eigenem ПАСПОРТ aus dem Jahr 1970 mit der Seriennummer 178! Fragen über Fragen, deren Antwort man in der sich füllenden Kiste der zu entsorgenden Teile sehen kann… Aber keine Angst, die russische Rarität wird natürlich nicht ins Altmetall befördert, sondern leistet nun unseren Nachbarn auf der STEPHAN JANTZEN gute Dienste. Wir hoffen, dass sie den Dreh raushaben.
Zwischenzeitlich wird mit dem Transport des Umzugsguts begonnen. Die Entfernung in der Luftlinie zwischen den beiden Standorten beträgt nicht mal eine Seemeile, genau gesagt 1,656 km. Bei der Häufigkeit, mit der zwischen den beiden Objekten gependelt wird, erweist sich diese kurze Distanz als Vorteil und verkürzt die Transportdauer erheblich. Viele private Anhänger kommen zum Einsatz, um die Werkzeuge, Materialien, Spinde, und, und, und in die neue Werkstatt zu bringen. Darunter ist auch die bewährte Adler-Nähmaschine aus der Segelwerkstatt, die seinerzeit aus dem Kabelgatt der in Stralsund liegenden GORCH FOCK I „gerettet“ und somit vor dem Verschrotten bewahrt wurde. Sicherlich könnte so manche Maschine der Werkstatt ihre eigene Geschichte erzählen! Ach ja, und im Gegenzug haben wir die von uns nicht mehr benötigten großen Schäkel, Spannschrauben und Kabelklemmen auf die Reise nach Stralsund geschickt. Man hilft sich halt untereinander aus.
Jetzt die großen Sachen ...
Zurück zu dem nasskalten Mittwoch Anfang Dezember:
Endlich biegt der LKW des uns unterstützenden teambaucenters um die Ecke. Die schweren Maschinen, die Richtplatte, alle Gegenstände die nicht mit der Devise „vier Mann – vier Ecken“ bewegt werden können, stehen zum Transport bereit. Mit vereinten Kräften werden alle Gegenstände auf den LKW verladen, ordnungsgemäß verzurrt und in die Werftstrasse 20 gebracht. Dort warten schon andere Vereinsmitglieder, um das Umzugsgut in Empfang zu nehmen und in die einzelnen Werkstattbereiche zu bringen. Emsiges Arbeiten allerorten, denn die Zeit drängt und die erschwerten Pandemie-Bedingungen tragen auch nicht zur Beschleunigung bei.
In der folgenden Zeit findet alles nach und nach seinen Platz. In der Segelwerkstatt, dem größten Raum im neuen Objekt, liegen die Taue und Seile in den Regalen, in der Holzwerkstatt sind die Zwingen aller Größen in Reih und Glied gespannt, die Farbenlast ist eingeräumt, die Schlosserei ist einsatzbereit – kurzum, jedes Teil, jede Maschine ist dort, wo es oder sie hingehört.
Und, wie bei jedem Umzug, gehört die sorgfältige Sortierung der Kleinteile zu den wichtigen Aufgaben.
Das große Finale
Ende des Jahres 2020 sind nur noch Restbestände in der alten Werkstatt. Nach einer Pause über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel steht der Endspurt an. Eine kleine Gruppe aktiver Mitglieder kümmert sich in der neuen Werkstatt um den weiteren Fortgang der notwendigen Arbeiten. Eine andere Gruppe sorgt dafür, dass die nicht mehr benötigten Materialien für eine fachgerechte Entsorgung bereitgestellt werden. Endlich, am 18. Januar 2021, ist es soweit. In Windeseile wird der Großcontainer der Firma SR Service Rostock befüllt und wartet auf seinen Abtransport. Als Letztes wird das Außentor der Werkstatttür abgebaut.
Zurück bleibt die gähnende Leere einer besenrein verlassenen Werkstatt, bleiben triste Räume, kahle Wände, Stille. Damit ist der Standort Geschichte, jedenfalls für den Bramschot e.V. Zurück bleibt eine ins Nichts gehende Aufforderung:
Aber niemand hört es, niemand macht auf.